Start: Mittwoch, 27.03.2024, 5:00 Uhr |
2005 starteten wir zu zweit unseren ersten Versuch, den Mont Ventoux im April mit dem Rad zu befahren – ab Freiburg. Der Versuch endete in Malaucène, am Fuß des Mont Ventoux. Über Nacht hatte es selbst hier unten geschneit. An eine Befahrung des Mt. Ventoux war nicht zu denken. Seither sind auf verschiedenen Wegen etliche neue Versuche hinzugekommen, mit wechselndem Erfolg, aber meist waren wir oben. Es war schon immer eine Tour, bei der es nie auf´s Durchhalten auf Biegen und Brechen ankam, da man sich immer aufs Wetter und die sonstigen Verhältnisse einstellen und flexibel reagieren musste. Wir sind auch schon in den Zug gestiegen.
2015 führten wir die Fahrt in den Frühling erstmalig als offizielles BRM im März durch und 2017 auch als Brevet im Frühsommer. Die ursprüngliche Strecke übers Jura wurde inzwischen aufgrund der besseren klimatischen Bedingungen abgeändert - die aktuelle Strecke führt uns über Lons-le-Saunier und Ambérieu in den Süden.
Das offizielle Ziel und Ende des Brevets erreichen wir in Nyons, ca. 60 Kilometer vor dem Mont Ventoux. Traditionell steuern wir tags darauf Bédoin an, im Süden des Massivs, und verlegen auch für die nächsten Tage die Unterkunft dorhin. Die Auffahrt von dort ist mit etwas Glück soweit frei, dass man sich bis zum Gipfel durchschlagen kann, ganz im Gegensatz zur Nordauffahrt ab Malaucène, die zu dieser Jahreszeit normalerweise noch nicht geräumt und nicht befahrbar ist. Die Fahrt auf den Gipfel ist nicht obligatorisch, aber natürlich der krönende Abschluss und der eigentliche Sinn und Zweck dieser Tour.
Es lohnt sich, zwei oder drei Tage ans Brevet dranzuhängen: das Flair in Bédoin ist einzigartig: zahlreiche Radfahrer aus allen Ecken Europas sind bereits zu allen Tageszeiten unterwegs und bevölkern die Straßen und die Cafés.
Wichtig: die Rückfahrt ist selbst zu organisieren! Ab Avignon (TGV-Bahnhof) fahren mehrfach am Tag Züge bis Mulhouse, Strasbourg oder Paris mit Anschlusszügen nach Freiburg oder anderen deutschen Städten. Sollte eine Reservierung im Radabteil nicht möglich sein, ist es obligatorisch, das Fahrrad zu verpacken (hier gibt es eine Anleitung). Es gibt auch akzeptable Verbindungen bis Genf in Regionalzügen mit kostenloser Radmitnahme, ab dort verkehren ECs mit Radabstellplätzen.
Ausrüstung/Verpflegung
Wir raten dringend dazu, genügend warme Kleidung, dicke Handschuhe und gut isolierende Überschuhe oder Winterschuhe für die Strecke mitzuführen – die Nachttemperaturen erreichen schnell die Null-Grad-Grenze, auch weiter im Süden ist man vor Frost keineswegs sicher. Wir selbst reisen traditionell mit Schlafsack, Zelt und Isomatte in Ultralight-Version (wir zelten im Anschluss auf dem sehr schönen Campingplatz in Bédoin), eine Übernachtung in Chalets auf dem Campingplatz oder im Hotel ist je nach Geschmack aber ebenso empfehlenswert.
Die Strecke über Lons-le-Saunier führt vor allem auf den ersten 300 Kilometern weitgehend durch sehr ländliches Gebiet mit wenig Läden oder Gaststätten und so sollte man immer etwas zu Knabbern parat haben und die Gelegenheiten in den größeren Städten nutzen, um sich zu versorgen und die Vorräte wieder aufzufüllen. Sollte das Wasser mal knapp werden so findet man in Frankreich auf so gut wie jedem Friedhof im Eingangsbereich einen Hahn mit Trinkwasser.
Die Bäckereien öffnen meist sehr früh, nicht selten wird einem vor sechs Uhr bereits Zutritt in die wärmenden Backstuben gewährt. Die eingekauften Croissants kann man in der Regel auch bedenkenlos im benachbarten Café zu verzehren.
Streckencharakter:
Die Route ist bis weit über die Hälfte spektakulär flach mit lediglich ein paar Wellen, wenn wir den Rhein-Rhône-Kanal verlassen; die ersten kleineren Berge erwarten uns erst weit im Süden. Auch wenn's am Ende etwas weh tut, so bringen wir es jedoch nicht übers Herz, das Vercors auszusparen. Selbst im Spätwinter ist dieser Abschnitt zu zauberhaft, um ihn den Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorzuenthalten. Und so lässt sich der höchste Punkt der Tour also am Col de Bacchus mit 978 m verorten. Und jeder weiß: ab hier geht‘s mehr bergab als bergauf. Wären am Ende nicht der idyllische Col du Pas de Lauzan und der zähe Col de la Sausse, der uns vor Nyons noch auf eine letzte Probe stellt, könnte man die Beine eigentlich bis Nyons hängen lassen.
Streckenbeschreibung:
Wir verlassen Freiburg in den frühen Morgenstunden und bleiben so noch vor allzu viel Verkehr verschont bis wir kurz vor Mulhouse auf den Rhein-Rhone Kanal abbiegen. Auf dem Euro-Velo 6 fahren wir durch die Burgundische Pforte ins Rhonetal. Auf den ersten 210 Kilometern sind 80 Höhenmeter, die der Kanal mit Hilfe von unzähligen Schleusen überwindet, das einzige topographische Hindernis. Aber Vorsicht beim Durchfahren der Unterführungen bei den Schleusentoren und beim Queren der rechtwinklig verlaufenden kleinen Straßen bei den Toren! Wir hatten schon brenzlige Situationen mit entgegenkommenden Radfahrern und es gab auch schon einen Unfall bzw. Zusammenstoß mit einem Auto beim Queren eines dieser Sträßchen. Die großen Städte Mulhouse, Montbeliard und Besançon durchqueren wir ansonsten so gut wie verkehrsfrei auf dem Radweg. Die beschauliche Ruhe am Kanal versetzt uns in längst vergangene Zeiten - heute kaum noch vorstellbar, dass der Transport auf diesen Kanälen einst der beste und effizienteste Weg war, Güter zu transportieren, und was es für eine Arbeit war, diesen Kanal zwischen 1784 und 1833 mit den damaligen Mitteln zu graben. Es gibt aber so gut wie keine Verpflegungsmöglichkeiten direkt am Weg - dafür muss man in den Ortszentren den Kanal-Radweg verlassen und sich im Ort Geschäfte oder Bars suchen oder schon mal die eigenen Vorräte plündern.
In Besançon (km 200) führen Radweg und Kanal durch einen 350 Meter langen Tunnel unter der Zitadelle durch und wir biegen nach Süden ab, ohne einen Laden gesehen zu haben. Ein paar Wellen folgen, wenn wir den Kanal verlassen haben, aber schon bald ist es wieder topfeben bis Lons-le-Saunier (km 285). Die Kleinstadt kommt uns vor wie eine Metropole und wird für viele die letzte Möglichkeit sein, noch einmal etwas Warmes zwischen die Zähne zu bekommen bevor es in die Nacht geht. Direkt danach kommt er, der erste längere Anstieg von ca. 4 Kilometern und es geht erst mal wellig und hüglig weiter, bevor es wieder in ein Flusstal und flach dahingeht . Der nächste sichere Hafen ist Ambérieu-en-Bugey (km 370).
Leider hat der dortige MC-Donalds am Stadtrand die Öffnungszeiten geändert und ist nur bis 01:00 geöffnet. Bourgoin-Jailleu (km 421) ist die nächste große Stadt, aber erfahrungsgemäß ist selbst in solchen Städten des Nächtens nicht mehr viel zu finden (dafür herrscht dort tagsüber viel Verkehr - der einzige Wehmutstropfen auf dieser sonst recht verkehrsarmen Strecke).
So werden wir wohl froh sein, wenn die Sonne aufgeht und uns in einer freundlichen Bäckerei versorgen können und weiter dem Vercors nähern. Leoncel liegt auf 900 Metern Höhe und ist nicht nur deshalb einer der Höhepunkte dieser Fahrt. Für die gut fünfzehn Kilometer Aufstieg kann man eineinhalb Stunden veranschlagen, bis wir (hoffentlich) in der Auberge de Léoncel ein letztes Mal unterwegs einkehren können. Der einstige Wirt, der uns über die Jahre mit Café oder dem ersten Gläschen Rosé versorgt hat und über die Jahre aufgehört hat, sich über uns zu wundern, ist leider nicht mehr tätig. Ein paar kleinere Hügel und Weinberge der Provence stehen uns noch im Weg, bevor wir das Ende in Nyons, spätestens um 21:00 Uhr im Café La Belle Epoque feiern können. Wir sind fast am Ziel. Die Nordanfahrt von Malaucene aus zum Mt. Ventoux wird im März voraussichtlich nicht befahrbar sein - deswegen treten wir die Triumphfahrt zum Gipfel von Süden ab Bedoin an.
Strecke Nyons-Bédoin: knapp 40 Kilometer. Auf dieser Fahrt steht nur noch der kleine Col de la Madeleine im Weg, der anders als sein großer, alpiner Namensvetter lediglich ein paar bescheidene Höhenmeter einbringt – eine kleine Fingerübung, ehe es, voraussichtlich am nächsten oder übernächsten Tag, mit dem Mont Ventoux (1909 m) bergtechnisch richtig zur Sache geht. Dies ist jedoch reines Privatvergnügen und hat mit dem Brevet nichts mehr zu tun.
Aber es ist doch immer wieder ein "Muss", wenn mal schon mal hier unten ist, den Aufstieg zumindest zu versuchen. Es ist ein unvergleichliches Erlebnis zusammen mit anderen Brevetfahrern auf dem windumtosten Gipfel zu stehen und die Beste und Längste der berühmten Auffahrten gemeistert zu haben: Die Nordanfahrt von Freiburg aus.
Berichte zu unseren Mont-Ventoux-Touren auf unserer Seite unter Berichte, aber auch auf www.viavelo.de/, Videos unter www.viavelo.de/videos/.